Mode für die Revolte – ein Leitfaden für die Femme (jeden Genders)

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Die heißesten Looks dieser Saison für die anspruchsvolle Anarchist*in

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Der Anstieg von politischem Aktivismus im letzten Jahr hat dazu geführt, dass sich Femmes auf der ganzen Welt gefragt haben: Wie kann ich an der Revolution teilnehmen und dabei heißer als ein Molli aussehen? Eure Suche ist vorbei: Wir werden euch vollumfänglich beraten.

Disclaimer: in diesem Artikel bezieht sich »Revolte« auf durchsetzungsstarke Protestformen jeder Art. Während Rechte jede Form von Protest als »Revolte« zu stigmatisieren und zu unterdrücken versuchen, zielen wir darauf ab, es zu normalisieren und zu etwas zu machen, bei dem jede*r dabeisein kann.

Viele wichtige Dinge sind zu beachten, wenn wir das perfekte Outfit für den Aufstand zusammenstellen wollen, darunter: Haare, Make up, Maske, welche schwarzen Kleidungsstücke sind sowohl bequem als auch bezaubernd.

Langhaarige Femmes sollten daran denken, eine Frisur zu wählen, die die Haare von den Augen fernhält und die Fähigkeit, eine Gasmaske aufzusetzen, nicht einschränkt. Französische Zöpfe und ihre von innen nach außen geflochtene, holländische Variante funktionieren in diesem Zusammenhang wunderbar, passen zu jedem Haartyp und sorgen zusätzlich noch dafür, dass euer Haar auch nach einer Nacht im Gefängnis nicht wie ein Vogelnest aussieht. Femmes mit kürzeren Haaren werden vielleicht nicht so intensiv darüber nachdenken, wie sie ihre Haare von den Augen fernhalten, aber für alle ist, unabhängig von der Haarlänge, zu überlegen, wie die Haare bedeckt werden können, um die eigene Identität zu schützen.

Es gibt zahlreiche stylische Arten, das Haar zu bedecken, um nicht identifiziert werden zu können: Hoodies, Hijab und Balaclavas sind am weitesten verbreitet, aber auch Beanies und Perücken können diesen Zweck erfüllen. Egal, welche Kopfbedeckung ihr wählt, achtet darauf, dass sie auch über einen längeren Zeitraum bequem zu tragen ist, Gesicht und Haare völlig bedeckt und nicht verrutscht oder runterfällt, wenn es zu physischen Auseinandersetzungen kommen sollte. Solltet ihr eine Gas- oder Atemmaske tragen wollen, solltet ihr daran denken, dass ihr die Kopfbedeckung nicht abnehmen müsst, um sie anzulegen. Idealerweise sollte die Kopfbedeckung so kompakt sein, dass sie verborgen werden kann, wenn ihr euch umziehen müsst, um einen schnellen und sicheren Abgang zu machen.

Bei Make up ist es wichtig, keine Produkte auf Ölbasis auf die Haut aufzutragen. Wenn chemische Kampfstoffe eingesetzt werden, bilden diese mit den Ölen Schadstoffe, die an eurer Haut kleben bleiben und schwer zu entfernen sind. Wenn ihr euch auf eine Demo vorbereitet, ist es daher von vornherein am besten, auf Feuchtigkeitspflege zu verzichten und einen ölfreien Sunblocker aufzutragen.

Ein auf die Wangen gepuderter Hauch Glitter oder Highlighter wirkt in zweierlei Hinsicht: er betont eure Wahnsinnswangenknochen, während er gleichzeitig dafür sorgt, dass ihr die Seite eures Bandanas, die zu eurem Gesicht gezeigt hat, von der unterscheiden könnt, welche von Tränengaspartikeln durchsetzt ist. Zum Abschluss lässt eine Schicht eures wasserfesten Lieblingsmaskaras eure Augen hinter eurer Maske regelrecht aufleuchten. Wenn er eine Trennung oder Casablanca durchhält, wird er wahrscheinlich auch Tränengas, Malaax und Wasser aushalten.

Bei der Auswahl einer Maske sind verschiedene Faktoren zu beachten: sie sollte bequem zu tragen sein, auch über einen längeren Zeitraum, vollen Gesichtsschutz garantieren, so eng gewebt sein, dass sie als Barriere zwischen chemischen Kampfmitteln und den Atemwegen dienen kann und natürlich sollte sie verdammt sweet sein. Klar, eine stinknormale schwarze Sturmhaube oder ein Schlauchschal reichen völlig aus, aber überlegt doch mal, verschiedene Masken, die unterschiedlichen Zwecken dienen, übereinander zu tragen. Zum Beispiel sorgt eine Hassi nicht nur für Anonymität, sondern verbirgt auch die Gas- oder das Atemschutzmaske, die sich fest um Mund und Nase legen muss, und ein schwarzes Bandana darüber lässt euch mit den anderen verschmelzen und versteckt auch noch die Konturen eures Gesichtes. Mehrere Schichten bedeuten mehrere Looks, und das heißt auch mehr Möglichkeiten auf der Straße – solange ihr keinen Hitzschlag bekommt!

Wenn ihr es schick mögt, könnt ihr auch ein leichtes Glitzerbandana über den anderen Schichten tragen und damit klar machen, dass alle, die die Mode der Sicherheit opfern, beides nicht verdienen und beides verlieren werden. Zusätzlich sorgt ein Glitzerbandana oder eine andere »niedliche« Gesichtsabdeckung dafür, Vermummungen zu entstigmatisieren, und lässt euch ansprechender und zugänglicher erscheinen, was wiederum das Risiko, von irgendeinem rückratlosen Liberalen ins Gesicht gegrabscht zu werden, minimiert.

Da wir nun Haare, Make up und Vermummung klar haben, ist es an der Zeit, über rebellische Mode vom Hals abwärts zu reden. Ihr wollt sicherlich ein Outfit wählen, das euch in der Menge verschwinden lässt, eure Bewegungen nicht einschränkt und – was das Wichtigste ist – individuelle Merkmale wie Narben, Muttermale und Sommersprossen, Piercings und Tattoos verdeckt. Generell ist es eine gute Idee, eine leichte, alles bedeckende untere Schicht zu tragen und zusätzliche Schichten nach Bedarf, die einerseits isolierend wirken und andererseits eure Identität verbergen.

Wenn ihr eure Garderobe zusammenstellt, solltet ihr Kleidungstücke wählen, mit denen ihr euch bücken, hinknien, rennen, springen, euch ausstrecken und klettern könnt und die euch auch noch ein gutes Gefühl geben. Selbstbewusstsein ist das Schlüsselelement von Style und Sicherheit beim Straßenkampf. Wichtig ist auch, daran zu denken, dass organische Materialien (wie Wolle oder Baumwolle) Chemikalien absorbieren, während synthetische Materialien (wie Nylon) eine gute Barriere zwischen Pfefferspray und eurer Haut sind und dabei helfen, den Körper zu isolieren. Allerdings schmelzen sie auch, wenn sie in Kontakt mit etwas Heißem, wie einen Tränengaskanister kommen. Als starke, leidenschaftliche Femmes solltet ihr nicht gezwungen sein, zwischen beiden Möglichkeiten zu wählen. Denkt daran, dass ihr mit dem Layeringlook das Beste aus zwei Welten bekommt. Und vergesst nicht: Schwarz schmeichelt allen Körperformen und Hauttönen!

Egal, welches Ensemble ihr wählt, es ist wichtig, darüber nachzudenken, wie euer Outfit sitzen soll. In eng-anliegenden Klamotten, ist das Risiko geringer, von Gegnern festgehalten zu werden oder an einem Zaun hängen zu bleiben. Lockere Klamotten hingegen verbergen eure Körperformen besser und schützen eure Privatsphäre. Keine der Möglichkeiten ist wirklich besser, beide haben Vor- und Nachteile, so dass es an euch ist, zu entscheiden, was sich für euch gut anfühlt.

Jede fantastische Femme weiß natürlich, dass ein Outfit mit den Schuhen steht oder fällt – da ist auch Mode für die Rebellion keine Ausnahme! Genau wie bei dem Rest eures Outfits, werdet ihr sicherlich Schuhwerk aussuchen wollen, das bequem ist und in dem mensch sich gut bewegen kann. Im Gegensatz zu anderen Situationen geht es hier mehr um Funktion als um Form, und auch darum, sich nicht von der Masse abzuheben. Tage (und Nächte) auf der Straße können lang sein. Ihr seid einzigartige Wesen, die es verdienen, sich zu verwöhnen. Warum also gönnt ihr euch nicht ein paar plüschig-weiche Stützeinlagen für eure Stahlkappen-Kampfstiefel, wenn das der Weg ist, den ihr einschlagen wollt. Natürlich sind auch Sneaker eine Alternative, die allerdings nicht ganz soviel Schutz bieten, weder für eure Füße noch für eure Knöchel, aber um zu rennen und zu klettern sind sie besser geeignet. Abhängig von eurem Risikolevel, ist es überlegenswert, ob ihr nicht ein Paar Schuhe zu euren Rebellionsschuhen macht und sie nie zu einem anderen Zweck tragt. Dann ist es auch eine gute Idee, sie bei jemand anderem aufzubewahren.

Um das Maximum aus eurem rebellischen Outfit herausholen zu können, werdet ihr vielleicht über Accessoires nachdenken. Schmuck ist meist keine gute Idee, aber Handschuhe sind SPITZE! Auch ein schwarzer Rucksack, eine schwarze Fahne oder beides gehen immer und geben eurem Outfit den letzten Schliff. Auch ein Regenschirm ist äußerst nützlich, nicht nur, um eure Identität zu schützen, sondern auch um Tränengas und andere Chemikalien fernzuhalten. Auch ein Werkzeuggürtel schadet nie, schließlich gibt es immer etwas, auf das wir schnellen Zugriff brauchen: Bandanas für weniger gut vorbereitete Femmes, Erste-Hilfe-Ausrüstung, ein Snack für die Genoss*innen oder eine Notfallration Glitter. Zeitlos und essentiell für die aufständige Femme ist außerdem eine Flasche Maalox oder ähnliches, um die Auswirkungen von Tränengas und Pfefferspray zu neutralisieren.

Femmes mit Kontaktlinsen sollten daran denken, dass sich augenschädigende Flüssigkeiten, in den Kontaktlinsen sammeln können. Mit Langzeitschäden! Andererseits sind Brillen oft sehr individuell und ihr lauft Gefahr, eure Anonymität aufzugeben. Außerdem besteht die Gefahr, dass die Brille direkt vor euren Augen zerschlagen wird. Um dies alles zu umgehen, ist es ratsam, Kontaktlinsen zu tragen und dann die Augen mit einer Schutzbrille – zum Beispiel einer Skibrille – zu bedecken. So schützt ihr eure Identität ohne Langzeitschäden an den Augen zu riskieren.

Wer noch einen Schritt weitergehen will und das Ensemble um eine Gas- oder Atemschutzmaske erweitert werden soll, ist die richtige Wahl eine Maske, die sich passgenau um Nase und Mund schmiegt, perfekt dicht ist und einen Filter hat, der zu euren Bedürfnissen passt. Für die meisten Situationen ist ein N95-Filter (bzw. FFP-2) ausreichend, aber wenn ihr mit dem Einsatz von Pfefferspray rechnet, Asthmatiker*innen seid oder aus anderen Gründen besonders sensibel auf Chemikalien reagiert, ist ein P100-Filter die bessere Wahl. Bärtige Femmes sollten es in Erwägung ziehen, sich zwei oder drei Tage vor einer Aktion zu rasieren (aber nicht am gleichen Tag, da ihr sicherliche kein Tränengas in den winzigen Verletzungen eurer Gesichtshaut haben möchtet, die eine Rasur hinterlässt), da Gas- oder Atemschutzmasken über Haaren nicht vollständig schützen. Mancher Femme hat eine Hassi geholfen, dieses Problem zu lösen, aber es gibt auch gegenteilige Erfahrungen.

Was auch immer ihr bei der nächsten Aktion tragen wollt, das Wichtigste auf dem Weg an die Front sind die Genoss*innen, auf die ihr unterwegs treffen werdet. Sucht euch eine Crew anderer krasser Femmes, achtet aufeinander während ihr auf den Barrikaden atemberaubende Looks präsentiert und denkt dran: Immer anti-faschistisch, nie anti-fashion.

Anmerkung der Autor*in: Die wiederholte Verwendung des Wortes ‚Femme‘ im Text ist beabsichtigt. ‚Femme‘ sollte nicht als Synonym für ‚Frau‘ gelesen werden. ‚Femme‘ ist eine queere Identität und ist genderneutral. Dieser Text wurde nicht für ein weibliches Publikum geschrieben, sondern von einer nicht-binären Femme, für Femmes jedes Genders. Die Tipps, die in diesem Artikel geteilt werden, sind das Ergebnis langjähriger Erfahrung an vorderster Front aufgeheizter Demonstrationen auf der Straße und sind dazu gedacht, dem vorherrschendem Narrativ, dass die Taktiken des Schwarzen Blocks nur von Cis-Hetero-Männern angewendet würden, gegenzusteuern. Sogar im radikalen Diskurs werden die Beiträge, die Femmes bei militanten Aktionen leisten, konsequent ausradiert, während wir als diejenigen kategorisiert werden, an denen die Last der Unterstützungsarbeit hängenbleibt. Die erfolgreichen Methoden, die hier vorgestellt werden, sind mit Humor und einem Augenzwinkern zu nehmen und sind eine Bemühung, den Platz den Femmes in den ersten Reihen der Kämpfe innehaben zurück zu erobern.

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deutsche Übersetzung von nekuz für SchwarzerPfeil, leicht editiert übernommen.